Reitmayer'sche Fotokunst
neu interpretiert und erstmalig veröffentlicht
Wer war Josef Reitmayer?
Josef Reitmayer, »Herzoglich Bairischer und Herzoglich Anhaltinischer Hoffotograf«, wurde 1862 in München geboren. Wie sein Vater Otto, der in der Kaufinger Straße ein »Photographisches Atelier« besaß, verschreibt auch er sich der Fotografie. Später lässt er sich mit seiner jungen Ehefrau Maria am Tegernsee nieder, wird Vater von zwei Töchtern, Anni und Netti. Er hält die Momentaufnahmen des eigenen und des Lebens des Tegernseer Tals auf seinen Bildern fest und entwickelt diese in seinem Atelier, im Gebäude der heutigen Trattoria »Da Francesco«. Dann endet sein Leben bei einem Bootsunglück im Tegernsee mit nur 29 Jahren. Doch die Geschichte seines Hofateliers geht weiter. Und so entstehen zahlreiche Zeitdokumente des damaligen Tals: Portraits von Menschen in der Stadt und auf dem Land, Landschaften sowie familiäre und gesellschaftliche Ereignisse wie Sportveranstaltungen, Hochzeiten, Kommunionsfeiern und Beerdigungen.
Was ist das Besondere an der Fotosammlung aus dem Atelier Reitmayer?
Die auf den Zeitraum von 1891 bis 1934 datierten 7.200 Fotoglasplatten mit Motiven des Gesellschaftslebens des Tegernseer Tals sind im „Kollodium-Nassplatten-Verfahren“ hergestellt, das 1851 entwickelt und von Berufsfotografen bis weit in die 1920‑er Jahre angewandt wurde. Damals musste ein Fotograf über ein umfassendes Chemiewissen und eine gewisse Schnelligkeit verfügen: die Glasplatten mussten zeitnah präpariert und nach dem Ablichten schnell in der Dunkelkammer entwickelt werden.
Somit stellt die Reitmayer'sche Fotosammlung nicht nur einmalige Belege der Anfänge der Fotografie dar, sondern ist zugleich ein einzigartiges Zeitzeugnis der Geschichte unserer Region. Durch einen Zufall wurde sie einst auf dem Dachboden des ehemaligen Wohnhauses des Hof-Fotografen entdeckt, waren jedoch lange Zeit der Öffentlichkeit nicht zugänglich. Uns faszinierte die Fotosammlung aufgrund ihres hohen historischen Wertes für das Tal von Anfang an. So entstand die Idee, die Fotoplatten zu erwerben und sie in einer außergewöhnlichen Form allen Tegernsee-Liebhabern in den Räumen unserer Klinik zu präsentieren.
Monatelang haben wir jede der einzelnen Fotoplatten gereinigt, katalogisiert, archiviert und schließlich in einem aufwändigen Scan-Verfahren digitalisiert, um sie dauerhaft von dem Zeitverfall zu sichern. Zwei regionale Fotokünstler aus dem Tal, Daniel Glasl und Thomas Plettenberg, haben zwei sehr unterschiedliche und originelle Konzepte entwickelt, in denen die Fotosammlung aus dem 19. Jahrhundert im zeitgenössischen Kontext nun präsentiert wird.
Wir laden Sie ein zum Verweilen und Entdecken: Kennt man da noch jemanden? Wo könnt' dieses Bild gemacht worden sein?
Kapitel 01
Kapitel 02
Kapitel 03
Kapitel 04
Kapitel 06
Kapitel 07
Kapitel 09
Kapitel 11
Kapitel 13
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 19
Daniel J. Glasl
„Jedes Bild kann für sich allein stehen, ist ein Kunstwerk und erzählt seine eigene Geschichte. Jedoch erst im Ganzen erschließt sich der Kontext einer längst vergangenen Zeit.“
Es war für mich schnell klar, dass ich nicht einzelne Bilder hervorheben, sondern die Sammlung als Gesamtkunstwerk – soweit möglich – im Ganzen interpretieren und wirken lassen möchte. Denn jedes dieser Bilder ist ein Kunstwerk und erzählt seine eigene Geschichte – jedes einzelne kann somit für sich alleine stehen. Jedoch erst im Ganzen erschließt sich der Kontext einer längst vergangenen Zeit.
So entstand die Grundidee, die Bilder wie in einem Fotomosaik anzuordnen. Die Portraitaufnahmen boten mit ihrer Vielschichtigkeit eine ideale Basis für mein Grundkonzept. Um die Bilder als eigenständige Einzelkunstwerke zu erhalten, färbte ich sie anhand eines zum Raumkonzept der Klinik im Alpenpark passenden Farbschemas ein, ließ die gescannten Kopien aber ansonsten gänzlich unbearbeitet. Es schien mir nicht richtig, die historischen Aufnahmen des J. Reitmayer unnötig weiter zu verfremden. Um die Authentizität und die Haptik der Originale, zumindest zum Teil, zu bewahren, wurden die neu geschaffenen digitalen Bilder ebenfalls wieder auf Glasplatten produziert und in einer zufälligen jedoch nicht willkürlichen Anordnung gehängt.
Thomas Plettenberg
„Letztlich haben mich aber dann doch die Portraits mit Tracht, aber auch die Badebilder inspiriert und somit mir die Initialzündung gegeben.“
Nach erster Sichtung der hohen Anzahl von unterschiedlichen historischen Motiven aus der Reitmayer'schen Sammlung war es zunächst sehr schwierig für mich, eine Richtung zu einer bestimmten Grundidee einzuschlagen. Schließlich handelte es sich bei 90 Prozent der Bilder um Portraits im Studio mit Hintergrund.
Letztlich haben mich aber dann doch die Portraits von verschiedenen Menschen in Tracht, aber auch die Bade-Motive inspiriert und mir die Initialzündung zu meinem Konzept der Neuinterpretation gegeben: Ich wollte eine fotografische Brücke zwischen „damals“ und „jetzt“ bauen.
Aus meinem Bildarchiv suchte ich nach ähnlichen Fotos vom Waldfest, vom Tegernsee sowie nach Bergmotiven (zum Beispiel vom Wallberg) aus unserem Jahrhundert. Dann habe ich vor allem Bilder „herausgefischt“ die zum Schmunzeln anregen, aber auch dokumentieren, dass sich vieles an der Freude unserer Heimat gar nicht verändert hat. Durch das bewusste Einsetzen von Farbbildern unterschiedlicher Größen konnte ich zum einen Kontraste zwischen dem „damals“ und „heute“ setzen. Zum anderen lenke ich mit einem Einstiegsbild jeder Komposition die Aufmerksamkeit des Betrachters, von hier aus beginnt seine fotografische Entdeckungsreise durch die Geschichte unserer Region.